Ready to talk.

Please contact us.

Immer einen 
Zug voraus

Elisabeth Pähtz ist Deutschlands beste Schachspielerin. Das Spiel der Könige ist für sie eine Alternative zur Außenwelt – und ein Denkprinzip, um ihren Alltag zu bewältigen. Arrow Down

Arrow Up

Sie ist keine Hellseherin, das nicht. Aber manchmal, wenn sie die Augen zusammenkneift, dann erkennt Elisabeth Pähtz die Muster hinter der Realität. Vielleicht sitzt sie dann gerade mit ein paar Bekannten in einem Café und ist in eine Diskussion verstrickt. Vielleicht verfolgt sie auf dem Handy die neuesten Nachrichten. Oder sie spielt einfach eine Runde Tischkicker mit Freund:innen. Sie weiß dann mitunter, wer gleich was sagt. Wer was als Nächstes tut. Und was dann passieren wird. Elisabeth Pähtz ist zwar keine Hellseherin. Aber sie ist die beste Schachspielerin Deutschlands. Und damit geschult darin, Aufstellungen und Positionen zu erkennen. Sie überträgt die Wirklichkeit auf ein schwarz-weiß gemustertes Brett in ihrem Kopf und verteilt darauf Spielfiguren, jede mit bestimmten Fähigkeiten und Absichten. Und Pähtz erahnt dann, was diese Struktur bedeutet. Wohin sie sich entwickelt. Und welches strategische Ziel am Ende stehen könnte. „Man weiß, wer hier welche Pläne verfolgt“, so formuliert sie das.


Hohe und höchste Titel
Mit ihren Erkenntnissen ist Pähtz auf echten Schachbrettern sehr erfolgreich. Schon mit neun Jahren war sie deutsche Meisterin im Schachspielen, mit 20 Weltmeisterin. Inzwischen ist sie Internationale Meisterin sowie Großmeisterin der Frauen, beides sehr hohe Titel. Sie spielt in der Schachnationalmannschaft und steht inzwischen sogar kurz davor, als erste Deutsche überhaupt zum Großmeister gekürt zu werden. Die männliche Form, die auch für Spielerinnen gilt, bezeichnet den höchstmöglichen Rang in der Schachwelt, verliehen auf Lebenszeit, nur 40 Frauen weltweit sind jemals so weit gekommen, neben knapp 1.800 Männern. Wenn Pähtz davon erzählt, dann wirkt sie zugleich sehr selbstbewusst und trotzdem zurückhaltend. Sie weiß, was sie kann. „Aber ich schaue mir andere Menschen lieber erst mal an“, sagt sie mit leichter Thüringer Färbung in der Stimme.

Arrow Up

In Erfurt, wo sie 1985 geboren wurde, begann sie schon als Fünfjährige mit Schach, ebenso wie ihr Bruder. Das liegt bei ihr in der Familie. Ihr Onkel ist auch leidenschaftlicher Spieler, er hat 1984 außerdem die Software für einen der ersten Schachcomputer in der DDR mitentwickelt und sammelt heute Schachantiquitäten. Und ihr Vater trägt selbst den höchsten Titel Schachgroßmeister. Er gab nach der Wende seine Profikarriere auf – um seine Kinder zu trainieren. Das allerdings nicht als ehrgeiziger Sportlervater, der seinen Nachwuchs mit Druck zu Spitzenleistungen treibt. „Oh, er war clever“, sagt Pähtz. Denn der Vater eröffnete stattdessen eine Trainingsgruppe mit fünf interessierten Erfurter Kindern, zu denen auch seine eigenen gehörten, die Tochter ist als einziges Mädchen dabei. Gemeinsam reisten sie bald von Turnier zu Turnier. Spaß und Spiel in der Gruppe standen im Vordergrund, nicht Leistung und Wettkampf. Trotzdem, oder gerade deshalb, wurden vier der fünf Kinder mehrfach Deutsche Meister.

„Ich schaue auf die Gesamtsituation und überlege,was da gemacht werden muss.“


Der Bruder stieg irgendwann aus, er ist heute Physikprofessor im chinesischen Hangzhou. Elisabeth Pähtz aber stieg auf zur erfolgreichsten deutschen Schachspitzensportlerin – nach einem eher durchschnittlichen Abi und sogar mit ein paar Schwierigkeiten in Mathematik. Denn es ist gar nicht so, dass man für Schach zwingend sehr gut in Mathe und logischem Denken sein muss. „Das Ziel beim Schach ist es, den besten Zug zu machen“, erklärt Pähtz. „Aber zu der Entscheidung, was eigentlich der beste Zug ist, kann man über unterschiedliche Herangehensweisen gelangen.“ Klar, manche Spieler:innen rechnen durchaus systematisch vier, fünf, sechs Züge und Gegenzüge im Voraus durch. Pähtz aber gehört zu jenem Spielertyp, der eher intuitiv die Lage am Brett erfasst. Wo also Spannungen und Schwachpunkte sind, wo Angriffe drohen. „Ich schaue auf die Gesamtsituation und überlege, was da gemacht werden muss“, sagt sie. Bestimmt ein gutes Omen.

Arrow Up