Ready to talk.

Please contact us.

Oh Futuro!

Während in vielen Ländern der Medienshift schleichend verläuft, ist dieser in Südamerika, vor allem Brasilien, stark ausgeprägt. Die etablierten Medien verlieren massenweise Nutzer an das Internet. Jetzt wollen sie ihre Fehler der Vergangenheit wettmachen – ausgerechnet mit der Hilfe der neuen Konkurrenz. Arrow Down

Arrow Up

Nein, einfach haben es die Staatsmedien in Südamerika wahrlich nicht. Selbst schuld, sagen viele Experten: Die öffentlich-rechtlichen Medien in den südamerikanischen Ländern sind traditionell regierungsnah. In der Bevölkerung gelten sie daher als wenig glaubwürdige Staatsmedien. Korrupt, heißt es, Informationen, die niemand brauche. Entsprechend niedrig sind ihre Einschaltquoten.

Es ist ein bereits ewig währendes Dilemma. Eigentlich sollen die Bürger sich ja bilden, informieren über das, was da in ihrem Land beziehungsweise ganz Südamerika geschieht. Doch wenn das Vertrauen fehlt, was soll man machen? Immerhin: Privatsender wie das omnipräsente Globo TV in Brasilien ziehen immer noch Scharen an Zuschauern vor die Bildschirme. Doch das vor allem mit Telenovelas und Gameshows. Der Bildungsauftrag bleibt logischerweise auf der Strecke.

Und dennoch spielt sich gerade in Südamerika eine bedeutende Entwicklung ab, ein fundamentaler Wandel. Einer, der in Ländern wie Deutschland ob der Marktmacht der öffentlich-rechtlichen Sender sowie der höheren Altersstruktur gegenwärtig eher schleichend verläuft, in Südamerika aber bereits Tagesgeschäft ist. Und damit ist dieser Wandel eine Vorausschau auf das, was eventuell auch hierzulande kommen könnte. Das Internet löst das Fernsehen endgültig ab. Das Fernsehen, das Radio, die Zeitungen, wie so oft geunkt, könnten irgendwann überflüssig sein. Der Grund neben großem Misstrauen: die sozialen Netzwerke.

„Das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber den öffentlichen Medien ist noch stärker geworden, seitdem die Menschen in den sozialen Netzwerken eine alternative Informationsquelle gefunden haben“, sagte Valerio Fuenzalida, Medienwissenschaftler an der Pontificia Universidad Católica de Chile, dem Knight Center für Journalismus an der Universität Austin/Texas. „Die Krise der öffentlichen Medien ist offensichtlich. Sie bieten unglaubwürdige Programme mit schlechten Quoten. Keiner weiß, warum solche Kanäle überhaupt noch existieren.“

Vielmehr tummeln sich die Südamerikaner bei Videoplattformen wie Youtube. Von den etwa 98 Millionen Internetnutzern in Brasilien besuchen etwa 95 Prozent mindestens einmal pro Monat das Videoportal Youtube. Die Verbreitung von Smartphones und der Zugang zu preiswerten Datenpaketen macht die Bevölkerung zunehmend unabhängig von Wi-Fi und sorgt damit für immer mehr aktive User. Während die Zuschauerzahlen von Globo und Co. seit Jahren zurückgehen, wachsen die Klickzahlen auf Youtube stetig.

Der Grund? Authentizität. Vertrauen. Das, was Brasilianer stellvertretend wohl auch für den Rest der Südamerikaner bei Staatsmedien vermissen. Das Schnelle, Unvermittelte an den digitalen Medien lässt den Wandel von analog zu digital noch schneller vonstattengehen. Youtube generiert „echten Content“ und gibt den Usern ein Gefühl von Intimität. Youtube erzeugt einen Gegenpol zu geradlinigen Fußballformaten, dramatischen Telenovelas, Mainstream-Kochshows und dem obsoleten Sender MTV.

Es sind Youtuber wie der Brasilianer Whindersson Nunes, der stellvertretend für diesen Trend steht. Der 22-Jährige schaffte es mit Comedy-Videos aus seinem Kinderzimmer in einer Kleinstadt im Bundesstaat Piaui auf Platz elf der meistabonnierten Youtuber der Welt. Ganz richtig gelesen: Nicht Brasiliens, sondern der Welt! Die Klickzahlen seiner Videos schießen innerhalb weniger Stunden nach dem Upload in die Millionenhöhe und stellen ihn damit in den direkten Wettbewerb mit internationalen Superstars. Nunes beweist damit nicht nur, dass auch ein Kind aus der „Roça“, dem ärmlichen Hinterland Brasiliens, mit Youtube den Durchbruch schaffen kann. Sein Erfolg zeigt auch, welches Potenzial die Videoplattform auf dem Wachstumsmarkt Brasilien hat.

Ein wenig neidisch schauen die schwerfälligen, etablierten Medien dieser Tage auf die erfolgreichen One-Man-Shows auf Youtube. Und lassen die Muskeln spielen, indem sie ebenfalls in diese Richtung expandieren. Der TV-Magnat Silvio Santos hat sich entschieden, mit der Plattform zu kooperieren und seinen Content auch auf Youtube zu senden. Es wird gemunkelt, dass auch der Gigant Globo mit Google in Verhandlungen steht, um eine Partnerschaft zu starten. So also dürfte die Zukunft aussehen.

„Die neue Technologie schafft Raum für neue Akteure sowohl in den öffentlichen als auch in den privaten und kommerziellen Medien. Es werden neue vielfältige Stimmen in der Öffentlichkeit zu Wort kommen“, sagt Gustavo Gómez, Director General der NGO Observatorio Latinoamericano de Regulación, Medios y Convergencia (Observacom). Und so sorgt die Digitalisierung für jenen Wandel, den die etablierten Medien in Brasilien nie wirklich hinbekommen haben: direkte Ansprache an die Bevölkerung, ein Austausch, nahbarer als zuvor.

Die etablierten Medien aus Ländern wie Deutschland, denen dieser Wandel ebenfalls bevorstehen dürfte, sollten in den kommenden Monaten ganz genau nach Südamerika schauen.