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„Bunter, knalliger, opulenter“

Portrait Charlitte Zellerhoff
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Unsere Bildredakteurin Charlotte arbeitete vergangenes Jahr einige Monate in Seoul. Uns hat sie erzählt, warum die Fotografen dort anders inszenieren als in Deutschland und wieso sie das Licht der Metropole so schnell nicht vergessen wird. Arrow Down

Charlotte, du bist während der Corona-Pandemie nach Seoul gereist. Wie kam’s?

Das hatte zwei Gründe. Einerseits setzen wir für Hyundai das deutsche Kundenmagazin um, andererseits wollte ich schon länger privat nach Seoul. Das hat perfekt gepasst. Hinzu kam, dass die Pandemie dort viel besser im Griff war als in Europa und ein paar Freiheiten lockten.

Was hast du dann vor Ort gemacht?

Am Anfang musste ich erst einmal 14 Tage in Quarantäne. Mein Hotelzimmer hat sich ein wenig wie ein Gefängnis angefühlt. Immer wieder gab es Durchsagen, die einen darauf hinwiesen, das Zimmer nicht zu verlassen, das Essen reinzuholen oder den Müll vor die Tür zu legen. Ich habe viel gearbeitet und zur Ablenkung eine Art Quarantäne-Tagebuch geführt.

Und nach der Quarantäne?

Ohne die Schrift lesen zu können war es nicht so einfach, sich zu orientieren oder alltägliche Sachen zu erledigen. Ich habe mich aber recht schnell eingelebt. Wegen der Zeitverschiebung habe ich erst nachmittags angefangen zu arbeiten und konnte tagsüber die Stadt erkunden: Museen, Gallerien, neue Eindrücke.

Ändert so ein neuer Kontext den Blick auf die Fotografie?

Ich weiß nicht. Schon vor meinem Aufenthalt hatte ich mich für Fotografie aus Südkorea interessiert und war vielen südkoreanischen Fotografen auf Instagram gefolgt. Vor Ort konnte ich dann in die Kultur eintauchen und mich von neuen Eindrücken inspirieren lassen. Wahrscheinlich würde ich nicht soweit gehen und behaupten, dass sich dadurch mein Blick auf die Fotografie ganz generell verändert hat. Aber man nimmt natürlich immer viel Input mit, wenn man mit so vielen neuen visuellen Eindrücken, Künstlern und Fotografen konfrontiert wird.

Was macht die Fotografie in Südkorea aus deiner Sicht aus?

Tendenziell habe ich das Gefühl, dass in Korea noch mehr Fotografen mit Film arbeiten. Das kann aber auch der Tatsache geschuldet sein, dass ich selbst analog fotografiere und mich diese Arbeiten wohl eher erreichen. Das Licht in Seoul ist auf jeden Fall sehr speziell, was sich insbesondere in der Analogfotografie in der Farbigkeit widerspiegelt: Alles ist bunter und lebendiger.

Wie prägt die südkoreanische Kultur die Fotografie?

Viele Porträtfotografen inszenieren ihre Protagonisten viel eindrucksvoller als zum Beispiel deutsche Fotografen. Die Farben sind bunter und knalliger, die Requisiten opulenter. Die Kreativität die hinter solchen Inszenierungen steckt, finde ich faszinierend. Besonders beeindruckt haben mich die Arbeiten von Cho Gi Seok, Kim Moondog und OH SE AE, die alle in eine ähnliche Richtung gehen sowie die Arbeit von Min Hyunwoo.

Woher kommt dieser Stil?

Das hat sicher viel mit dem Ausbrechen aus den Strukturen der südkoreanischen Gesellschaft zu tun. Wenn ich mit meinen südkoreanischen Freunden spreche, höre ich oft, welcher soziale Druck auf ihnen lastet. Von allen Seiten prasseln Erwartungen auf die Menschen ein: Was denken andere über mich? Was sollte ich in einem gewissen Alter erreicht haben? Dazu kommen Hierarchien und eine Arbeitskultur, in der es oft dazu gehört, auch nach Feierabend mit den Kollegen essen zu gehen oder Dinge für den Job zu erledigen. Ich glaube, je starrer solche Strukturen sind, desto heftiger fallen die Gegenbewegungen in Kultur, Kunst und Fotografie aus.

Du hast in Seoul auch für unsere Kunden gearbeitet. Wie hat der Standort deine Arbeit verändert?

Ich habe vor allem Shootings organisiert und begleitet. Und da macht es natürlich einen gewaltigen Unterschied, wenn man vor Ort ist und vor den Shootings die Locations besichtigen und das Shooting persönlich begleiten kann. Hinzu kommt, dass man einfach näher dran ist und einen besseren Eindruck von den Fotografen hat. Das macht vieles einfach und spiegelt sich auch in den Ergebnissen.

In deiner Freizeit fotografierst du auch selbst. Hast du Projekte in Seoul verfolgt?

Ich fotografiere vor allem auf Partys, was zu der Zeit in Seoul sogar wieder möglich war. Dazu kommt, dass ich ein bisschen gereist bin und natürlich die Reisen fotografisch festgehalten habe.

Ein Fazit zum Schluss: Was hast du aus der Zeit mitgenommen?

Ich denke beim Reisen und vor allem wenn man sich länger an einem Ort aufhält, reflektiert man viel die eigene kulturelle Prägung und vergleicht sie mit dem, was man in der aktuellen Umgebung vorfindet. Ich kann nun auf jeden Fall meine koreanischen Freunde, deren Denkweise und das Land insgesamt besser verstehen.

Charlotte Zellerhoff stieg 2018 nach einem Auslandssemester in São Paulo als Praktikantin bei muehlhausmoers ein. Inzwischen arbeitet sie als Bildredakteurin im Berliner Büro, organisiert Fotoshootings und erstellt Bildkonzepte für die Projekte unserer Agentur. Charlotte hat Fotografie, Kunstgeschichte und Philosophie in Berlin studiert. Auf Instagram ist sie als cndymountain unterwegs.